Volkstrauertag 2020

75 Jahre ist es jetzt schon her: Das Ende des 2. Weltkrieges, welcher bis heute vielen Menschen, den wenigen, die sich noch an diese grausame Zeit in Deutschland, in Europa und weltweit erinnern, aber auch deren Nachkommen, in den Knochen steckt. Denn die Narben, Wunden und Verluste, die das zahllose Sterben und Töten in diesen Jahren des Krieges, aber auch in der Zeit danach, verursacht haben, dringen immer wieder bis ins Mark ein, erschüttern Leib, Seele und Verstand bis heute.

Wie konnte es sein, dass mitten unter uns ein solches Unrechtssystem so vielen Menschen das Leben zur Hölle und schließlich dem Leben ein Ende machen konnte? Warum gibt es noch immer oder immer wieder Menschen, ja Freunde und Nachbarn, die die Jahre des Naziterrors schön reden oder gar wieder aufleben lassen?

Es war und ist noch immer nicht leicht, den Nachfahren Rede und Antwort zu stehen, sich der Verantwortung für diese Zeit zu stellen, das Gedenken zu wagen und als Teil der Geschichte mutig anzunehmen. Auch nach 75 Jahren ist es eben nicht an der Zeit, damit Schluss zu machen, denn es gibt ihn noch immer unter uns, den Krieg und alle seine „nicht minder grausamen Verwandten“:

Menschenverachtung, Feindseligkeit gegen Fremde, Migranten, Religionen, Kulturen oder einfach nur Andersdenkende.

Populismus, die Geschichte verleugnendes rechtes Denken, der Verlust jeglicher Empathie für Schwache und Ausgegrenzte und die wachsende Zahl antidemokratischer Bestrebungen in aller Welt, verbundenen mit dem Schrei nach einem starken Mann. Aufrüstung und aggressiver Nationalismus lassen die Kriegsgefahr nicht nur wachsen, sondern bringen stetig neue bewaffnete Konflikte hervor, gelegentlich sogar gegen die eigene Bevölkerung, allein um die Macht aufrecht zu erhalten.

Die Folgen für die Menschheit, die Schöpfung und alles Leben in dieser sind zwangsläufig und zerstörerisch und äußern sich immer wieder in der Gestalt von nationalen Konflikten, Gewalt im öffentlichen Raum, im politischen Dialog bis hin zu Terrorakten einzelner, die ganze Regionen in Unruhe versetzen können.

Was nützt es, unser Gedenken an den Gräbern und Gedenk­stätten des letzten, großen Krieges hier bei uns?

Kann dieses Denken uns alle, besonders die junge Generation, noch erreichen und eine Umkehrbewegung in die Wege leiten, die den nationalen Frieden aufrecht erhielte, Europa wieder einiger werden ließe und Frieden und Abrüstung in den Bereich des Möglichen zurückholte?

Ist Frieden schaffen ohne Waffen, Abgrenzung und Hass möglich, damit die Ressourcen frei werden für Bildung, Gesundheit und ein nachhaltiges, klimafreundliches Wirtschaften?

Hier sind alle Generationen gefragt. Die Wirkung des Volkstrauertages wird zurückkehren, spürbar sein, wenn wir den Jungen immer wieder Anteil an unseren Erfahrungen geben, die es möglich machen, dem Grauen des Krieges hier bei uns, aber auch weltweit, dauerhaft ein Ende zu setzen. Es braucht nur die klaren Worte, besonders all derer, die sich noch mittelbar oder unmittelbar an diese Zeit des „absoluten Unrechtes“ mitten unter uns erinnern. Das Wort „Nie wieder Krieg!“ sollte auch nach 100 Jahren in Deutschland noch gelten. Das ist zu schaffen.

Schon heute, wenn wir uns gegen alle Formen der Gewalt, Ausgrenzung und Menschen­verachtung auflehnen, dann hat sich unser Gedenken auch heute gelohnt! Die Gläubigen unter uns, mögen nicht nachlassen, im Gebet für den Frieden!

Unabhängig von aller Gesinnung und politischer Einstellung, sollten wir alle jedem Menschen mit Achtung begegnen, da die Würde des Menschen, sein Recht auf Leben, Arbeit, Wohnung und Bildung und vieles mehr keine Frage von Staatsangehörigkeit, Religion, Geschlecht, Leistungsfähig­keit oder äußerer Erscheinung sind!

Pfarrer Harald Todisco, Pfarrgruppe Rheinhessische Schweiz

Johannes Brüchert, Ortsbürgermeister Wöllstein

Regina Müller, Vorsitzende VdK Ortsverband Wöllstein


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