Zu den archäologischen Ausgrabungen im Wöllsteiner Neubaugebiet „Am Hinkelstein“
Die umfangreichen archäologischen Ausgrabungsarbeiten im geplanten Neubaugebiet, welche im Februar 2019 begonnen hatten, wurden am 28.06.2019 mit letzten Arbeiten im zukünftigen Regenrückhaltebecken erfolgreich abgeschlossen.
Da sich Gemeinde und Landesarchäologie im Vorfeld über Zeitraum und Kostenbeteiligung geeinigt hatten, war der Bauablauf nicht beeinträchtigt worden. Dies, obwohl man noch überraschend ein kleines spätbronzezeitliches Brandgräberfeld gefunden hatte, welches in der ansonsten sehr guten geomagnetischen Voruntersuchung nicht erkennbar gewesen war.
In kürzester Zusammenfassung:
In Wöllstein fanden sich Siedlungsreste aus verschiedenen Zeiten der Vorgeschichte. Höchst bedeutsam waren zahlreiche Siedlungsgruben aus der mittleren Jungsteinzeit (ca. 5000-4500 vor Chr.), welche in dieser Art und Anzahl noch nie in Rheinhessen dokumentiert wurden. Hierin lagen kunstvoll dekorierte Fragmente keramischer Gefäße, Reibsteine, Steingeräte und zahlreiche Tierknochen als Überreste der Mahlzeiten. Man züchtete hier Rinder, verzehrte aber auch viel Wild.
Während man auf diese steinzeitlichen Befunde durch Altfunde und die Geomagnetik vorab eingestellt war, waren die Siedlungsbefunde und vor allem Gräber aus der spätesten Bronzezeit, der sogenannten Urnenfelderkultur (ca. 1200-800 vor Chr.) eine Zusatzaufgabe. Es fanden sich 18 Brandgräber. In der Regel füllte man den Leichenbrand in ein sehr großes Gefäß und gab Beigaben für das Jenseits mit hinein: Essen und Getränke, von denen sich heute nur die Verpackungen, kleine, extrem dünnwandige Gefäße mit feinster Kammstrichverzierung, erhalten haben. Die teils sehr großen Gefäße wurden freigelegt, ummantelt und eingegipst und als Block geborgen. Die meisten Überraschungen erfolgen also erst später, beim „Auspacken“ im Amt der Landesarchäologie.
Nach dem Abarbeiten der archäologischen Befunde des Neubaugebietes ging es in das zukünftige Regenrückhaltebecken. Hier lag wiederum eine größere Siedlung aus der frühen Eisenzeit (ca. 500 vor Chr.). Die sogenannten Kegelstumpfgruben enthielten zahlreiche charakteristische Keramikfragmente und Tierknochen. Der allergrößte Teil dieser Siedlung verbleibt aber weiterhin, für die Nachwelt, als Geschichtsquelle und Bodendenkmal im Boden.
An sonstigen Befunden gab es u.a. Spuren eines militärischen Zeltlagers, wahrscheinlich aus dem Jahr 1674, als sich hier Franzosen und Preußen-Brandenburger ein Scharmützel lieferten.
Wenn in einigen Jahren die auswertende wissenschaftliche Publikation über die Grabungen geschrieben sein wird, wird dies nicht nur von ortsgeschichtlich hervorragender Bedeutung sein, sondern auch überregional bedeutsam, insbesondere für die Erforschung der Jungsteinzeit.
Ende November 2019 wird ein erster Vorbericht erscheinen: Günter Brücken, Durch alle Zeiten der Vorgeschichte. Ein erster Bericht von den archäologischen Ausgrabungen im Wöllsteiner Neubaugebiet „Am Hinkelstein“. Heimatjahrbuch Alzey-Worms 2020 (im Druck).
Dr. Günter Brücken, Generaldirektion Kulturelles Erbe RLP, Landesarchäologie Mainz.
Die nachfolgenden Fotos stammen von einer Besichtigung der Ausgrabungsstelle im Mai 2019.
Herr Dr. Brücken erläuterte den interessierten Gemeinderats- und Ausschussmitgliedern die Grabungsstellen und die Funde: Es sind dies Tierknochenfunde und Gruben aus der Jungsteinzeit, Keramikteile aus der mittleren Jungsteinzeit sowie Brandgräber aus der Spätbronzezeit.
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Fotos: Lucia Müller
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